Jürgen
Heizmann
Chatterton
oder Die Fälschung der Welt
2009,
kt., 413 S., 29 Abb., 28,00 € [D], ISBN 978-3-86809-011-6
Thomas
Chatterton war ein Fälscher und Schwindler, ein Wunderknabe
und ein Dichter. Er schrieb als Lehrbursche in einer
Bristoler Anwaltskanzlei mittelalterliche Gedichte,
die er angeblich im Archivraum einer Kirche gefunden
hatte und einem erfundenen Mönch namens Rowley unterschob.
Noch keine achtzehn Jahre alt, vergiftete er sich in
London mit Arsen.
Außerhalb
Englands, wo er, nach einer Zeit der Verbannung aus
allen Literaturgeschichten, zum ersten Romantiker
und bedeutenden Autor des 18. Jahrhunderts ausgerufen
wurde, ist Chatterton nur in schmalen literarischen
Zirkeln bekannt. Doch sein Schicksal ist bis heute
immer wieder europaweit als die typische Tragödie des
jungen, verkannten Künstlers in einer nur am Kommerz
orientierten Gesellschaft gesehen worden. Sein Leben
und sein früher Tod wurden zu seinem größten Kunstwerk.
Dieses
Buch ist mehr als eine Biographie. Es zeigt nicht nur
Leben und Werk des Wunderknaben aus Bristol, sondern
auch die ungeheure Wirkung, die von diesem Stoff ausgegangen
ist. Chatterton wurde zum Modell des romantischen Dichters:
jung, arm und stolz, ein halb wahnsinniges, von
der Gesellschaft an den Rand gedrängtes und im Selbstmord
endendes Genie. Albert Camus versicherte 1957 in seiner
Nobelpreisrede in Stockholm, Chatterton sei die
beste Illustration für das Thema des poète
maudit in einer
kapitalistischen Gesellschaft. Darüber hinaus ist Chatterton
aber auch der Vorläufer der halb verhungerten
Bohemiens in windigen Dachstuben. Eine Art Popstar.
1967 nahm in den Londoner Chappell Studios, es war
die Zeit der Carnaby Street und neuer proletarischer
Dandys wie Ray Davis und Brian Jones, das Enfant terrible
Serge Gainsbourg den Song Chatterton
auf, in dem er den Dichter, neben anderen Selbstmördern
und Wahnsinnigen, in eine Reihe mit Nietzsche, Goya
und zuletzt sich selbst stellt. Mick Harvey, Mitglied
der Post-Punk-Gruppe Bad
Seeds, spielte
den Song 1995 ein, während der neue Stern am deutschen
Komponistenhimmel, Matthias Pintscher, im Jahr 2002
mit der Uraufführung seiner Oper
Chatterton
in Dresden Aufsehen erregte. Ein Beweis dafür, dass
der Chatterton-Mythos bis heute immer wieder von Künstlern
aufgegriffen und aktualisiert wird.
Diese
spannend geschriebene Studie verbindet den hohen Anspruch
des Fachbuchs mit der Klarheit und Frische eines
Sachbuchs. Mit der englischen Chatterton-Forschung will
sie nicht wetteifern, ihre Perspektive ist keine nationale,
sondern eine europäische. Viele Texte Chattertons
werden – meist zum ersten Mal – in deutscher Sprache
präsentiert.
PDF Rezension Rhein-Neckar-Zeitung 11.5.2009
PDF Rezension Süddeutsche
Zeitung 23.6.2009
PDF Rezension Badisches
Tagblatt 1.8.2009
PDF Rezension Neue
Zürcher Zeitung 24.10.2009
PDF Rezension IASL
10.1.2010
PDF Rezension IFB
19.3.2010
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