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Psychohistorie

Ludwig Janus / Götz Egloff / Heinrich J. Reiß / Winfried Kurth (Hg.)

Die weiblich-mütterliche Dimension und die kindheitliche Dimension
im individuellen Leben und im Laufe der Menschheitsgeschichte

(Jahrbuch für psychohistorische Forschung Band 20)

2019, kt., 434 S., 24,00 € [D], ISBN 978-3-86809-154-0

 

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Die Psychohistorie kann heute die Dynamik und die Grundlinien der Mentalitätsentwicklung im Laufe der

Geschichte beschreiben, weil sie die Geschichte der Kindheit als eigenständige geschichtliche Kraft mit

einbezieht. Insofern ein typisches Muster im Verhalten Erwachsener einer Gesellschaft darin besteht, das in der

Kindheit Erfahrene in ihrem Leben zu reinszenieren, sind die Sozialisationsbedingungen der Kinder eine Wurzel des

gesellschaftlichen Geschehens.

Unabhängig hiervon hat die Matriarchatsforschung den historischen Blick um die Wahrnehmung der Wirklichkeit der

matrifokalen Kulturen in der Jungsteinzeit von ca. 11.000 bis ca. 3000 v. Chr. erweitert, die den dann kulturbestimmenden

patriarchalen Kulturen vorangehen. Dies ermöglicht im Rahmen der kritischen Patriarchatsforschung auch eine

Kritik der Schattenseiten dieser kulturellen Neuorientierung. Eine besondere Dynamik in der individuellen und

kollektiven Entwicklung entsteht nun daraus, dass die biografisch ursprünglichsten vorsprachlichen Erfahrungen

vor, während und nach der Geburt infolge der „physiologischen Frühgeburtlichkeit“ des Menschen

lebenslang in einer Art Hintergrundsfilm virulent bleiben und als Kern des Unbewussten magische und mythische

Erlebensweisen prägen, die sowohl das Erleben des Kindes wie auch die Mentalitäten der frühen Menschheitskulturen

bestimmen, wie auch bis heute im gesellschaftlichen Leben in verdeckter Form wirksam sind. Dies ist das

Forschungsgebiet der Pränatalen Psychologie, die eine bedeutsame Ergänzung zu der in der nachgeburtlichen Zeit

ansetzenden Entwicklungspsychologie darstellt. Die kollektivpsychologische Bedeutung dieser Zusammenhänge

ist bisher nur ansatzweise erschlossen.

Im Gefolge der immer noch fortwirkenden patriarchalen Grundorientierung in unseren Gesellschaften werden die

durch die weiblich-mütterliche und die kindheitliche Dimension bestimmten Wirklichkeitsbereiche nur marginal

wahrgenommen. Auch haben sie sich erst in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu eigenständigen

Wissenschaftsbereichen der Psychohistorie,  der Matriarchatsforschung und der Pränatalen Psychologie

entwickelt. Doch sind diese Bereiche bisher zu wenig aufeinander bezogen. Die Tagung hat deshalb das Ziel, eine

Begegnung und einen konstruktiven Austausch zwischen diesen Wissenschaftsfeldern herzustellen, um ihre

beträchtlichen Potenziale im öffentlichen Bewusstsein besser vergegenwärtigen zu können. Das soll auch eine

Ressource für den Diskurs um die heutige weibliche Identitätsentwicklung sein, mit dem die Tagung beginnt

und ausklingt.